Cole und die Sache mit Charlie

Cole und die Sache mit Charlie

„Es ist niemals aussichtlos“, sagt der Rücktitel des Klappentextes. Zum Glück! Denn wir sind wie der Icherzähler Cole zu harmoniesüchtig und neigen zum Verdrängen und hätten so vielleicht die Lektüre eine Weile vor uns hergeschoben. Und das wäre schade, denn das Buch ist hochinteressant, weckt Verständnis und erklärt Charlies Trauer und die tragischen Folgen sanft.

Cole hat zwar einen bescheuerten Namen, aber ein weiches Herz, ist anständig und freundlich, weist sich aber schnell die Schuld für alles zu. Und da gibt es in letzter Zeit einige gestörte Momente, denn die Patchworkfamilie erweitert sich schon wieder. Mum und Frederik bekommen ein Baby, dabei sind sie doch schon vier Kinder. Cole, Charlie und die Zwillinge. Und Papa hat eine ziemlich junge, neue Freundin, die viel seiner Zeit beansprucht. Er sagt die Wochenenden immer häufiger ab und der gemeinsame Urlaub ist eher ein Fiasko. Für Cole und die Zwillinge ist das nicht so schlimm, denn der Stiefvater ist super. Charlie war allerdings schon nicht mit der Trennung zurechtgekommen, ihr fehlt der Vater und durch Mums Schwangerschaft fühlt sie sich aus ihrer Familie rauskatapuliert. Oder ist ihr Rückzug, ihre kalte Art, ihr Umstyling einfach nur die Pubertät?

Cole erzählt aus seiner subjektiven Sicht über das Leben, die stressige Familie, die Klassenkameraden, seine erste Freundin (die ihn überrumpelt hat) und kommentiert manchmal ratlos, überrascht oder verständnisvoll das Chaos um ihn herum. Er hat so viel mit sich zu tun, dass er zwar bekümmert ist, weil sich seine Schwester von ihm zurückzieht – aber sie ist halt dreizehn, da sind Menschen aggressiv oder nah am Wasser gebaut … Oder ist da doch mehr? Nach und nach, Hinweis für Hinweis werden die Leser:innen mit Charlies Schweigen, ihrem Rückzug, dann ihrer Magersucht, ihrem Ritzen konfrontiert. Obwohl alle in der großen Familie zugewandt und interessiert sind, erleben wir mit, wie wichtig es ist, zu reden, zuzuhören, dranzubleiben, sich Hilfe zu suchen. Durch die Gedanken, die Cole mit uns teilt, gibt es nur eine Reihe von Begebenheiten, aber keine erhobenen Zeigefinger, keine Fehlerzuweisungen. (Allerdings auch keine Hilfsadressen im Anhang).

Hier wird eine Geschichte erzählt, die anrührt, die nachdenklich macht und wirklich so angenehm zu lesen ist, dass sie als Lektüre auch Jugendliche ansprechen wird und Schullektüre werden sollte.

Info
Autorin: Judith Mohr (Debütroman)
Verlag Freies Geistesleben 2024


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