The Good War – Wenn aus Spiel Realität wird
Caleb ist hochzufrieden mit sich, er hat einen komplizierten Förderantrag gestellt und bewilligt bekommen. Seine Schule verfügt nun über acht Spitzen-Gaming-Computer für die neu gegründete E-Sport-AG. Acht Schüler:innen teilen sich auf und kämpfen in „The Good War“ als Achsenmächte bzw. Alliierte gegeneinander. Teamplay ist gefragt, Strategie und Taktik sind wichtig und natürlich Killer-Instinkte und Treffsicherheit. Aber das Spiel bleibt nicht im Computerraum, sondern verselbstständigt sich auf unangenehmste Weise. Die Außenwelt mischt sich ein und das Zocken wird mehr und mehr von der Realität eingeholt.
Morton Rhues „Welle“ kennt jede Person, die in den letzten 30 Jahren zur Schule ging. Im Deutsch- wie im Englischunterricht war das Buch über ein ausuferndes Experiment Plichtlektüre. Und wieder richtet der Autor seinen Fokus auf eine gewöhnliche Aktivität: Hier wirkt ein Kriegsspiel nachhaltig auf die Gamer. Es wird natürlich vor allem gespielt, aber auch diskutiert, verhandelt. Wer kämpft hier eigentlich und warum? Wir lesen erstaunt, wie wenig die amerikanischen Kinder über den Zweiten Weltkrieg wissen (wie genau könnten wir allerdings über den Unabhängigkeitskrieg referieren?). Aber die Jugendlichen versuchen, sich eine Meinung zu bilden und besetzen fortan zwei feste Lager. Es bilden eine Gruppe diejenigen, die sich von der Ideologie der Nazis einholen lassen, und diejenigen, die voller Entsetzen und Betroffenheit von deren Gräueltaten lesen. Aus Mitspieler:innen werden Gegner, zwei Fronten kämpfen immer härter um den Sieg.
Das Buch liest sich extrem spannend, absolut nachvollziehbar und wahrhaft ist, wie die Figuren denken und handeln. Aber in den 218 leicht lesbaren Seiten steckt noch so viel mehr: Es geht um Mobbing, um Hatespeech, um Trolle, komplizierte Familien- und Freundschaftsbeziehungen, Erwartungshaltungen, um Druck. Und auch wenn sich diese Auflistung komplex liest, ist nicht einmal alles erfasst. Die Themen werden nicht nur angesprochen, sondern auch überzeugend aufgelöst. Die Jugendlichen machen Entwicklungen durch, wachsen an ihren Aufgaben und entdecken für sich, was ihnen selbst gut tun könnte. Sie werden selbstbewusster, entdecken Loyalitäten und was ihre negativen Handlungen beeinflusst hat – und sie lernen daraus.
The Good War ist ein hervorragendes Buch, das sicher wieder auf den Schreibtischen der Schüler:innen landen wird – und landen sollte.
Info
Autor: Morton Rhue
Aus dem Englischen: Angela Lück
dtv Reihe Hanser 2024