Sara Kadefors: Die Billie-Reihe

Sara Kadefors: Die Billie-Reihe

Sara Kadefors’ „Billie“, mit ihren Dreadlocks, ihrer entwaffnenden Offenheit und ihrer positiven Lebenseinstellung, mischt nicht nur die Dorfbewohner in Bokarp auf, sondern hilft auch ihrer neuen Pflegefamilie aus ihrer Trauer herauszufinden. Billie selbst, die Gefühle nur aus Seifenopern kennt, entdeckt in Band 1 „Billie — Abfahrt 9:42“ Freundschaft und Liebe und kann nach und nach familiäre Bindungen zulassen.

„Billie – Wer sonst?“ bleibt bei ihrer Pflegefamilie, auch wenn der Ort als Betätigungsfeld für ihre unbändige Energie fast zu klein ist. Aber die Perssons sind nur nach außen die perfekte Familie. Gepflegte Kommunikation gibt es zwar am Esstisch, ansonsten wird sich aber „respektiert und toleriert“. Niemand spricht Probleme an, Gefühle hat jeder für sich. Hier ist Billie gefragt, die Themen auf den Tisch bringt und Takt und Rücksichtnahme nicht zu ihren prioritären Verhaltensformen erklärt.

„Billie – Alle zusammen“ ist ungebrochen lebensfroh und dynamisch. Und sie ist verliebt. Aber wie kann sie mit Douglas zusammen sein und zugleich unabhängig bleiben? Ihre Pflegeeltern sind ein schlechtes Vorbild, sie haben sich ein Ausweichquartier angemietet und wechseln sich wochenweise bei der Betreuung der Kinder ab. Zwar wird das Persson-Leben damit ungeregelter und Prinzipien wanken, aber als plötzlich das Wort „Scheidung“ fällt, tangiert das auch Billies Aufenthalt. Ihre zuständige Sozialarbeiterin möchte schließlich „ein stabiles Umfeld“ für Billie.

Sara Kadefors weiß wie Jugendliche denken. Sie lässt Billie wie einen Rammbock gegen die starren Fassaden der Menschen um sie herum angehen und macht keinen Hehl daraus, dass mehr Menschlichkeit gefragt ist, wo nur Regeln Familien zusammenhalten. Ihre Billie ist als eine jugendliche Pippi konzipiert, stark und unabhängig, manchmal exzentrisch. Wo Pippi ganz ohne Familie ausgekommen war, hat Billie hier eine depressive biologische Mutter mit MS und eine Pflegemutter, die als Pfarrerin zwar seelsorgerisch betreut, ihre eigene Familie aber oft ratlos mit immer neuen Prinzipien plagt. Sara Kadefors ist eine schwedische Christine Nöstlinger, der es natürlich vor allem um die Jugendlichen geht, aber wichtig ist ihr auch das Umfeld, das das Leben derer bestimmt. Gewalt, Trauer, Alkoholismus, zerrüttete Verhältnisse, die Autorin lässt Billie aus der Ich-Perspektive kommentieren, manchmal lakonisch randbemerken und ratlos vor der Unfähigkeit der Erwachsenen die narrativen Schultern zucken. Je unfähiger und bedürftiger allerdings die Erwachsenen wirken, desto freier kann Billie agieren und ihre Umwelt bessermachen.

Billie ist eine sehr positive Identifikationsfigur, ein starkes Mädchen, natürlich auch mit Selbstzweifeln, aber voller Empathie, Lebensfreude und guter Ideen.

Info:
Sara Kadefors: Billie-Reihe
Übersetzt von Lotta Rüegger 
Urachhaus.
Ab 12.