Rosa Räuberprinzessin und der kleine Lügenbaron

Rosa Räuberprinzessin und der kleine Lügenbaron

„Rosa Räuberprinzessin“ ist Gendermarketing vom Feinsten. Das Mädchen ist nichts anderes als eine neue Lillifee, wenn sie die Farbe rosa liebt, mit Krone herumläuft und ein sprechendes Reittier mit Einhorn besitzt. Das die Brüder allerdings nicht verstehen können, denn Einhornsprache scheint immer noch alleine für Jungfrauen verständlich, hier ist der Esel auch noch moralisierend. Da hilft es auch nicht, dass Rosas Eltern sich wundern und vermutlich Connis Ringelpulli ganz reizend fänden. Der inhaltliche Horizont der Geschichte ist eingeschränkt, Rosa lebt in einer ziemlich traditionell weiblichen Erlebniswelt, auch wenn Rosa mal rauft, mit Kissen wirft und ziemlich schräg singt. Der Vater ist Professor und experimentiert mit Insekten, die er gerne auftischt (mächtig öko), die Mutter kocht dann aber fürs Frühlingsfest noch etwas, das den Durchschnittsgeschmack eher trifft. Rosas beste Freundin ist Bäckerstochter, aber mitnichten eine toughe Eva-Lotte, und Rosas drei Brüder hänseln die Schwester und lassen sie nur gelegentlich mitspielen.

Rosa interessiert sich für den „Neuen“ in der Klasse, der ziemlich gut angezogen und schick ist. Rosa himmelt ihn an und möchte ihm eine Freundeschance geben, auch wenn die anderen Schüler*innen ihn ziemlich bescheuert finden. Schließlich hat sich der Neue mit den Worten vorgestellt: sein Vater sei sehr reich und würde jedes Jahr ein neues Auto kaufen. Hier trifft also die gesellschaftliche Mitte nicht auf eine ganz andere Gesellschaftsschicht (wie z. B. bei Pünktchen und Anton), sondern auf ganz „oben“. Der „Lügenbaron“ ist tatsächlich einer, ein Baron nämlich, zudem mit ausgezeichneten Manieren – die sich Rosa abschauen könnte, findet das Einhorn. Daraus ergibt sich natürlich kein interessanter Konflikt. Dass Salvator Severin im Titel als „Lügenbaron“ erscheint, liegt also nicht daran, dass er sich Reichtum und Titel fantasiert, was noch akzeptabel wäre, sondern dass er als Baron bei einer Klassenarbeit schummelt. Und damit kommt dieses Werk zum erhobenen Zeigefinger: Es wird das Thema der Tugend aufgegriffen, lasterhafte „Kinder“-Charaktere und Mütter, die Erziehungsfehler begehen, waren schon immer eine Rüge wert. Kinderbücher sollen bilden, sozialisieren und miterziehen, so bilden sie aber nur konservatives Gedankengut ab.

Ich möchte aber nicht verschweigen, dass die 8-Jährige sowohl Song als auch Buch megatoll fand und bei Nachfrage beide Daumen gehoben hat. Tja.

P. S. Wozu braucht die banale deutsche Medienkinderwelt, Literatur wollen wir sie nicht nennen, bloß immer die Aristokratie? Auch Bibi und Tina kommen ja nicht ohne Alexander von und zu Falkenstein aus, der auch ohne Titel ein ganz netter Typ wäre.

Info
Autorin Annette Roeder
Inszenierte Lesung mit Musik mit Cathlen Gawlich
Mit Illustrationen von Katrin Engelking
Hörbuch CD (gekürzt), 1 CD, Laufzeit: ca. 1h 14min
cbj audio
Ab 6 Jahren