Der Ickabog

Der Ickabog

Im Marschland haust, sagt die Legende, der riesige grausame Ickabog. Natürlich weiß jeder in Schlaraffien, dass der Ickabog nur ein Mythos ist, so einige fröhliche Trinklieder wurden über ihn verfasst. Als eines Tages aber ein Untertan behauptet, der Ickabog hätte seine Schafe gerissen, verlässt der König von Schlaraffien, Fred der Furchtlose – immerhin hat er mithilfe von fünf Dienern und einem Stiefelknecht eine Wespe erschlagen – seine Komfortzone, um das Monster (vielleicht) zu töten. Den fiesen Beratern des Königs kommt die spontane Aktion gar nicht so ungelegen. Sie sehen plötzlich ungeahnte Möglichkeiten, die Angst der Bevölkerung vor dem Ickabog zu nutzen, um dem Land das Letzte abzupressen und die eigenen Taschen zu füllen.

Joanne K. Rowling hat das Märchen „Der Ickabog“ vor mehr als zehn Jahren für ihre eigenen Kinder geschrieben, es dann aber unvollendet beiseite gelegt und erst im Corona-Lockdown wieder hervorgeholt. Nun ist es als erstes Kinderbuch nach Harry Potter veröffentlicht worden – mit den Sieger-Illustrationen des Ickabog-Kindermalwettbewerbs. Und da sieht man, dass nicht nur ich bei der Beschreibung des Ickabogs den Grüffelo vor Augen hatte.

Rowling hat ein paradiesisches Schlaraffien kreiert, die berühmten Kuchenkreationen, die preisgekrönten Würste, die lukullischen Mahle wecken bei den Lesenden Bedürfnisse, alle Köstlichkeiten zu versuchen. Allen geht es besonders gut, um so schlimmer ist der moralische Abstieg, die Armut, die Angst, die durch Lüge und Betrug entstehen. Rowling kann Atmosphäre schaffen und eine Geschichte erzählen, das Buch liest sich spannend und schnell. Aber es bleibt vor allem ein sehr umfangreiches Märchen, mit ausführlichen Landschaftsbeschreibungen in guten und in schlechten Zeiten und natürlich einem überraschenden Ende, wie es einer fantasievollen Erzählung gebührt. Trotzdem bleibt nichts nach, das Buch verliert sich oft in seinen ausufernden Beschreibungen, bleibt seltsam vage. Bis auf Seite 208 ein Junge endlich loszieht, Schlaraffien zu retten, sind so viele Zeilen dem Abstieg des Landes gewidmet wie vorher seiner Schönheit. Der König ist eitel und schwach, die Berater sind böse, und so bleibt es auch. Hier entwickelt sich niemand, wirklich komplexe Charaktere sucht man im „Ickabog“ vergeblich. Es geht um Wahrheit, Lüge und Moral, das ist ja an sich ein gute Sache, für ein gutes Kinderbuch ist das allerdings zu wenig, da hätte es mehr Identifikationsfiguren gebraucht, und nicht so viele Törtchen.

Info
Autorin: J. K. Rowling
Aus dem Englischen Friedrich Pflüger
Mit Bildern der Gewinner:innen des Ickabog-Malwettbewerbs
Verlag Carlsen 2020


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