Sam und die Evolution

Sam und die Evolution

Als Sam vor allen anderen das Gipfelkreuz erreicht, hat er Zeit, sich ein bisschen umzuschauen. Er spürt einen interessanten Käfer auf, den nicht einmal seine Mutter Fritza einordnen kann, die immerhin Käferforscherin, Koleopterologin, ist. Sams grünes Insekt landet im Röhrchen, wird katalogisiert und er darf ihm als Entdecker einen Namen geben – was echt cool ist. Aber wie ist das denn nun mit den Namen und den Arten? Als ihn eine Mandelentzündung mit einem ziemlich resistenten Keim für Wochen ans Bett fesselt, liest er sich so richtig tief in die Materie ein.

Systematisch beginnend bei Aristoteles und Sams Käferfund, endend bei den zeitgenössischen Forscherinnen Barbara Rosemary Grant und Catherine Peichel und einer Exkursion im Winter zum gleichen Ort, erarbeiten wir uns gemeinsam mit Sam, der aus der Ich-Perspektive kommentiert, anmerkt und kritisiert, „eine kurze Geschichte der Evolutionsbiologie“, so der Untertitel dieses nicht ganz so kurzen Abrisses für die jugendlichen Leser:innen, mit seinen fast 150 kompakt beschrifteten großformatigen Seiten. In zehn komplexen Kapiteln werden Theorien, Gegentheorien, wissenschaftliche Erkenntnisse und deren wichtigste Forscher:innen vorgestellt und mittels witzigen Comics, Diskursen, fiktiven dialektikischen Gesprächen und ergänzenden Zeichnungen in den zeithistorischen Kontext gebracht. Und Namen werden hier plötzlich zu klugen Menschen, die ein Leben gelebt haben. Aristoteles diskutiert mit einem Studenten, der kleine Thomas von Aquin hat Angst, seine Eltern zu verlassen, Carl von Linné enttäuscht seinen Vater (das tun sie fast alle) und Bertha von Suttner küsst erst den einen oder anderen, bevor sie den Friedensnobelpreis bekommt. Gesellschaftliche, politische Zusammenhänge werden mitaufgegriffen, kritische Anmerkungen und moderne Statements zu Corona, resistenten Keimen, Frauen in der Wissenschaft runden die Abschnitte überzeugend ab.

Was auch schon der Klassiker von Ernst H. Gombrich mit seiner „kurzen Weltgeschichte für junge Leser“ (sehr empfehlenswert) geschafft hatte, nämlich komplexe Sachverhalte, die auch noch den Makel aufweisen, in Ausschnitten Schullektüre zu sein, frisch und leicht lesbar zu präsentieren, funktioniert auch hier bestens. Durch die neue schlüssige Präsentation sperriger Themen ist das Buch eine wunderbare Lektüre für Oberschüler:innen (und ihre Eltern).

Der einzige Kritikpunkt oder die einzige Frage: Sind Zwölfjährige schon in der Lage Darwins Briefe an Professor Henslow auf Englisch zu lesen? (Seite 100 und 101 des Buches)

Info
Autorin: Andrea Grill (promovierte zu Schmetterlingen in Sardinien)
Illustrationen: Raffaela Schöbitz (hat hier mit einer digitalen Mischtechnik besonderes Terrain erkundet)
Tyrolia-Verlag 2022


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