Kein bisschen verliebt? / Die gigantischen Dinge des Lebens

Kein bisschen verliebt? / Die gigantischen Dinge des Lebens

Zwei wunderbare Bücher aus dem Verlag Urachhaus nehmen sich dem Selbstverständnis Heranwachsender und der ersten Liebe an.

Kein bisschen verliebt?

Ava oder Izzy oder Zoey, so müssen Abenteuerinnen heißen, um die Welt zu erobern. Aber Majken? Und dann spielt sie auch noch die alberne Geige und nicht Gitarre, trägt einen „einfach nur grünen“ Rucksack und interessiert sich nicht für Jungs. Das macht aber ihre allerbeste Freundin seit neuestem und hängt nur noch mit Belinda rum, denn die trägt die schicken Klamotten und hat zum männlichen Geschlecht auf jeden Fall eine Meinung. Zum Glück ist Ivan neu an der Schule und zu einem Deal bereit: Er und Majken tun einfach so, als seien sie mehr als Freunde, damit Majken bei den Mädels wieder mitreden und mithalten kann. Aber dann stellt Majken fest, dass Ivan sich die Haare so niedlich aus dem Gesicht pustet und er so ein „Haken-Lächeln“ hat …

Die Icherzählerin verarbeitet mit lakonischem Witz und lockeren Kommentaren vor allem die Beziehung zu ihrer besten Freundin. Was verändert sich, wenn sich die Interessen plötzlich verschieben und eine Partei nicht mehr mitziehen möchte oder kann? Passt man sich an und verleugnet sich ein bisschen oder lebt man mit dem Verlust und sucht neue Kontakte? Kann Freundschaft neu ausgelotet werden? Diese Probleme, die die Heldin hier umtreiben, sind wahrhaft und direkt aus dem Leben gegriffen und für die Zielgruppe relevant (die älteste Buchtroll bringt genau diese Beziehungsumstände aus dem Alltag mit nach Hause). Die Autorin Johanna Lindbäck nimmt sich dem Charakter der Majken liebevoll an, sie lässt sich die Figur entwickeln und sieht in der Tiefe den Schmerz und die Freude. Und auch Ivan ist eine Persönlichkeit, der wir uns über die Icherzählerin sehr gerne annähern.

Bei all dem Lesespaß habe ich auch noch etwas Neues erfahren, nämlich wer oder was der Bechdel-Test ist.

Die gigantischen Dinge des Lebens

Viel schlimmer ergeht es Wilbur: Unsportlich, uncool, in der Schule übersehen oder gemobbt, verliebt er sich ausgerechnet in die superschicke französische Austauschschülerin Charlie. Was hat er aber schon zu bieten? Musikalisch die Triangel, sportlich die Seniorinnen-Wassergymnastik und familiär zwei liebevolle Mütter, die aber notorisch pleite sind, drei Jobs haben und nicht kochen können. Zum Glück hat er zur Problemlösung den 85-jährigen Nachbarn und seinen schwulen Freund Alex: Beide halten eine charakterliche und körperliche Umgestaltung für unabwendbar, wenn er denn die Liebe erobern will. Bis Wilbur nach Paris bei Charlie zum Gegenbesuch antritt, muss er selbstbewusst, charmant, trainiert und überzeugend sein.

Bis Seite 32 hatte ich schon x-mal mitgefühlt, mich fremdgeschämt und schallend gelacht, weitere 250 witzige und wahrhafte Seiten folgten. Der Icherzähler geht durch situationskomische, skurrile Momente, die er mit Galgenhumor kommentiert, und die Lesenden werden in die Wilbur-Welt – die auch eine sehr diverse ist, ohne modernistisch zu wirken – auf leichte Weise eingebunden. Freunde helfen, ein bisschen Starrsinn und viel Mut: Und es nimmt in diesem Coming-of-Age-Roman ein schönes Ende für die Hauptfigur, wenn auch kein unerwartetes. Denn natürlich wird Engagement und das Schauen über den Länderrand zum Schluss belohnt.

Ein Freund, dem ich begeistert von dem Buch erzählt habe, meinte, „das klingt ja nach John Irving“. Ja, irgendwie schon.

Wunderschön ist auch das Cover, über dessen lackiertes, erhobenes Dinosauriergerippe es sich wunderbar streichen lässt.

Info: Kein bisschen verliebt?
Autorin Johanna Lindbäck; Übersetzung aus dem Schwedischen von Angela Beuerle
Verlag Urachhaus 2022
Für Kinder/Jugendliche ab 11

Info: Die gigantischen Dinge des Lebens
Autorin: Susin Nielsen; Übersetzung aus dem kanadischen Englisch von Anja Herre
Verlag Urachhaus 2022
Für Jugendliche ab 13


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert