Die Meute der Mórrígan

Die Meute der Mórrígan

Dieser wunderbare Jugendbuchklassiker wurde schon 1985 erstmals veröffentlicht und liegt nun wieder vor. Warum wunderbar? Weil ich selten ein Buch gelesen habe, in dem sich so viel In- und Gehalt befindet – als würden sich in der Nacht weitere märchenhafte Seiten einfügen und sich vielleicht andere auf zauberhaufte Weise verflüchtigen, denn die Seitenzahl bleibt ja immer gleich. Es ist ein Mysterium.

Pidge hat einen weitreichenden Fehler begangen. In einer Buchhandlung hat er ein Päckchen mit Buchseiten angenommen und schon kurze Zeit später geschehen seltsamste Dinge. Gleich an der nächsten Ecke begegnet er einem alten Angler, der ihn warnt, an der Kreuzung, an der Pidge schon tausendmal abgebogen ist, vorsichtig zu sein und das „Auge der Hellsicht zu gebrauchen“. Und von nun an brauchen Pidge und seine kleine Schwester Bridget, viel Hell-, Ein- und Weitsicht. Denn die Mórrígan, die irische Drei-eine-Königin, strebt die Kontrolle über alle Lebewesen an und die Kinder sind ihr in die Quere gekommen. Aber nicht nur auf der dunklen Seite gibt es Helfer:innen, auch die helle Seite ist gewappnet und unterstützt die Kinder auf ihre vielfältige Weise.

Die Kinder werden in den Kampf der Mächte des Guten und Bösen, in den Kampf der Götter Dagda und Mórrígan verwickelt. Sie erleben auf ihrer Mission Abenteuer voller Gefahren, Wunderliches, Skurriles, so unendlich Fantasievolles. Wir lesen von unzähligen Besonderheiten, unmöglich auch nur einen Bruchteil aufzuzählen. Sie fliegen mit dem Wind, Wünschelrutengängerinnen in Eselsgestalt kennen den Weg, der Elch trägt sie durch den Schnee. Zwischen Weizenfeldern finden sich ganze Dörfer, die auftauchen und verschwinden, auch der Galwayer Bahnhof hat eine offensichtliche Funktion, aber magische Informanten. Es gibt fröhliche Momente, düstere und grausame Begebenheiten, aber immer wieder helfen wundervolle Tiere in besonderen Kostümen, intakten Familienverbünden oder seltsamen Funktionen, so der Ohrwurm mit militärischer Ausbildung und französischem Akzent, die Grille mit Schirmmütze und Tweedanzug oder „das kleinste Spinnenkind“ mit Sprachfehler. Wie eine Perle an die andere reiht sich Erzählung an Erzählung, um zusammen ein fantastische Geschichte zu ergeben, in der sich die Hauptfiguren, so jung sie noch sind, auch noch weiterentwickeln. Am Ende haben sie Selbstvertrauen und innere Stärke gewonnen.

Hier wird hochsprachlich, prall, bild- und wortgewaltig Abenteuer und Märchen mit irisch-keltischer Mythologie verwoben, und das auf dichten 568 Seiten. Pat O`Sheas Buch kann sich in die Reihe großer irischer Dichter:innen einreihen und ist für alle Alter (ab acht) ein Lesegewinn. Kinder können sich an den einzelnen ausgewählten Anekdoten freuen, werden aber der komplexen Rahmenhandlung noch nicht folgen – von der allerdings auch jugendliche und erwachsene Leser:innen immer wieder durch deren Fülle abgelenkt werden können.

Kleiner Nachtrag: Bitte nicht vom Cover verunsichern lassen, bei dieser Geschichte handelt es sich mitnichten um eine „Romantasy“.

Autorin: Pat O´Shea
Aus dem Englischen: Bettine Braun
Verlag Freies Geistesleben 2023

Mit Glossar der gälischen Namen und Ausdrücke.


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