Elvis Gursinski und der Grabstein ohne Namen

Elvis, gleich benannt nach zwei Musikergrößen, Costello und Presley, schlendert in seiner Freizeit am liebsten allein über den Friedhof, denn das ist sein Garten hinterm Haus. Mit Gefährten ist es schwierig, denn da er sich meistens falsch fühlt, wirkt er in freundschaftlichen Beziehungen nicht echt genug. Ganz anders Dalia, die hat fast ein bisschen zu viel Authentizität und wirkt damit oft verstörend auf ihre Umwelt. Zumal ihre Großmutter auch noch stadtbekannt als Schamanin wirkt, einen (sprechenden) Pelzkragen trägt und Daria zu ihrer Nachfolgerin bestimmt hat. Als sich auf dem Friedhof und im Dachgeschoss des Hauses seltsame Dinge zutragen, Elvis‘ Mama plötzlich gruselige Gemälde produziert und sich ständig Küçüks Fell sträubt, tun sich Elvis und Dalia zusammen, um den Geschehnissen auf den Unter-Grund zu gehen.

Der Lokalkolorit Berlin-Weddings spielt nur eine untergeordnete Rolle in diesem wirklich unterhaltsamen Buch. Es sind die vielen Geschichten, die um den roten Faden gewunden werden und sich hinter den Grabsteinen verbergen, die prallen Charaktere, die dem Buch eine bunte Vielfalt geben. Das niedliche Eichhörnchen, der Weltenwanderer aus der nordischen Mythologie, vermittelt zwischen den Lebenden und den Toten, von Letzeren gibt es so einige mehr. Rituale spielen alle Rolle, zauberisches Ausstreuen von Zucker und Salz. Placebos mit viel Verständnis heilen Einsamkeit und Melancholie. Es geht um Liebe und Freundschaft und seine Rolle im Leben zu finden, auch wenn damit die Erwartungen der Familie enttäuscht werden müssen. Und gute Nachbarschaft hilft Grenzen zu überwinden, wenn auch nicht alle den sechsten Sinn besitzen. Normalos behaupten anderes, aber die schrägen, empathischen Figuren haben nun mal das interessantere Leben, denn wer hat schon Gelegenheit, einem sich in Nebel auflösenden Künstler zuzuhören, der gerade noch Pupskonzerte gibt.

Info
Autorin Kirsten Reinhardt
mit wunderbaren Illustrationen von Tine Schulz
Beltz&Gelberg 2022