White Fox Chroniken – Das Geheimnis des Silberbaums
Rubion, Dichter und Gelehrter und wertvolles Mitglied der Wieselgemeinde in Eichendorf am Rhein, lebt in seiner komfortablen mehrstöckigen Eiche, schätzt die Kulinarik, seinen Tee und seine Bibliothek, in der er auch Gedichte schreibt. Als eines Tages zum exklusiven Kochwettbewerb aufgerufen wird, ist es für Rubion klar, er wird den Wettkampf mit seinem „Fisch auf dem Felsen“ gewinnen und den Blutbernstein aus Sirocco erringen. Doch dann kommt es anders, ein Konkurrent gewinnt und Rubion erhält nur sechs von 10 Punkten. Er fühlt sich gedemütigt, wird ausfallend und ist plötzlich ein öffentliches Ärgernis. Es gibt nur einen einzigen Ausweg: Er wird sich auf eine Quest begeben, wunderbare Abenteuer erleben und letztendlich Sirocco sehen.
Wer den jungen Hobbit Bilbo Beutlin vor Augen hat, der überzeugt wurde, einem Drachen den Arkenstein zu stehlen, liegt hier nicht falsch. Auch Rubion ist ein spießiges Mitglied seines Dorfes, eingerichtet im Wohlleben und mental nicht sehr flexibel – wenngleich er durchaus selbstironisch sein kann und im Laufe der Geschichte sogar die Fähigkeit zur Einsicht gewinnt. Fast könnten wir von Band 1 der White Fox Chroniken von einer Fabel schreiben. Das Buch ist fantasievoll, hat atemberaubende Settings, ist atmosphärisch dicht, hat absurde Momente. Und es wird immer wieder unterhaltsam unlyrisch gedichtet. Und so wie seine Gedichte holpern, ist auch die Selbstreflexion des dünkelhaften Ich-Erzählers Rubion ziemlich lustig. Wir entdecken viele Tiere mit menschlichen Eigenschaften, gute Wesen und Bösewichte, Quellen der Unsterblichkeit, Zauberwälder und besondere Schwerter. Natürlich gewinnt Rubion auch zwei gute Freunde, Pombur und Jurek, auf deren Loyalität Verlass ist. Worauf die Lesenden allerdings sehr lange warten müssen, ist auf eine (sympathische) weibliche Figur. „Das Geheimnis des Silberbaums“ ist ein Buch mit Tieren und ihren definitiv sehr männlichen Charakteren, so kann der Polarfuchs Jurek seine Gestalt sogar in einen „alten weißen Mann“ verwandeln. (Erst auf Seite 280 von 352 Seiten wird eine kämpferische Wieselprinzessin eingeführt und die Geschichte nimmt Gender-Lesefahrt auf.) Das ist schade und nicht sehr zeitgemäß, unerklärlich.
Wir werden White Fox trotzdem weiterverfolgen, es gibt da einige offene Fragen und seltsame Begebenheiten, deren Hintersinn noch geklärt werden muss.
Info
Autor: Chen Jiatong
Illustrationen: Viola Wang
Übersetzung aus dem Chinesischen: Leonie Weidel
Loewe Verlag 2023